Gesundes Arbeiten Offshore

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Projektergebnisse aus dem Teilvorhaben des ZfAM:


Entwicklung von Konzepten zur Verringerung der physischen und psychischen Belastung bei Offshore-Beschäftigten

Janika Mette, Marcial Velasco Garrido, Volker Harth, Stefanie Mache, Alexandra Preisser

Die Offshore-Windindustrie eröffnet ein relativ neues Beschäftigungsfeld für Tausende von Fachkräften in Deutschland. Es handelt sich dabei überwiegend um technische Fachkräfte aus den Bereichen Bau und Betrieb von Großanlagen, Elektrotechnik, Maschinenbau sowie um Fachkräfte, die zwar nicht direkt in den Bau und Betrieb der Anlagen involviert sind, jedoch andere Aufgaben in den Offshore-Windparks wahrnehmen (Sanitäter, Caterer, Schiffsführer, etc.). Allen gemeinsam ist die Arbeit in einer abgelegenen, menschenlebensfeindlichen und herausfordernden Umgebung mit branchenspezifischen physischen und psychischen Belastungen und Gefährdungen [1, 2].

Im Rahmen des Projekts „BestOff – Sicherheit und Gesundheit in der Offshore-Windindustrie durch Kompetenzentwicklung, Koordination und lernförderliche Unternehmenskultur“ [3] hat das Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin (ZfAM) eine umfassende, multimethodische Analyse der Belastungen und Beanspruchungen der Beschäftigten in deutschen Offshore-Windparks durchgeführt. Hierzu wurden sowohl leitfadengestützte Telefoninterviews mit Beschäftigten und Experten aus der Branche (n=42) als auch eine anonyme webbasierte Befragung der Offshore-Beschäftigten (n=384) mit Hilfe eines standardisierten Fragebogens eingesetzt. Themenbereiche der Analyse waren u.a. die Arbeitsbedingungen offshore, das Beanspruchungserleben, die Gesundheit und das Gesundheitsverhalten der Offshore-Beschäftigten und die betriebliche Gesundheitsförderung in der Branche.

Die Ergebnisse der Ist-Analyse zeigen grundsätzlich eine gute körperliche und mentale Verfassung der Offshore-Beschäftigten. Allerdings erleben sie im Zusammenhang mit ihrer Offshore-Tätigkeit beispielsweise auch Stress und mentale und körperliche Erschöpfungszustände [4]. Insbesondere hohe quantitative Anforderungen bei der Arbeit stehen mit einem erhöhten Stresserleben der Beschäftigten in einem Zusammenhang [5]. Viele Mitarbeiter zeigen nach Schichtende und am Ende ihrer Offshore-Einsätze ein großes Erholungsbedürfnis [4]. Darüber hinaus beklagt sich fast die Hälfte der Beschäftigten über eine schlechtere Schlafqualität während der Offshore-Einsätze im Vergleich zur Schlafqualität zu Hause; viele berichten von Ein- und Durchschlafstörungen [6].

© Handbuch „Gesundheit Offshore“

Zudem bestehen bei Offshore-Arbeiten Belastungen des muskuloskelettalen Systems durch Arbeiten in unergonomischen Körperhaltungen, durch die Handhabung schwerer Arbeitsmittel und Sicherheitsequipment sowie durch häufiges Klettern [7,8].

Arbeitsbezogene Ressourcen der Beschäftigten bestehen u.a. in der persönlichen Bedeutung und großen Verbundenheit mit ihrer Tätigkeit sowie in dem erlebten Gemeinschaftsgefühl und der sozialen Unterstützung durch Kollegen [5,7]. Speziell die soziale Unterstützung stellt eine wichtige gesundheitsförderliche Ressource mit potentiell stressreduzierender Wirkung für die Beschäftigten dar [5].

© Handbuch „Gesundheit Offshore“

Wie aus der Offshore-Öl- und -Gasförderung bekannt ist, bietet der Offshore-Arbeitsplatz gute Voraussetzungen für Maßnahmen zur Gesundheitsförderung, da das Arbeits- und Wohnumfeld der Beschäftigten eng verbunden und gut regulierbar sind [9]. Die Projektergebnisse deuten darauf hin, dass derzeit nur wenige Angebote zur Gesundheitsförderung für Beschäftigte in der deutschen Offshore-Windindustrie bestehen [10]. Auf Basis der Befragungen stellen besonders die Arbeitsorganisation und die Gestaltung der Arbeits- und Wohnumgebung relevante Bereiche dar, in denen Maßnahmen der Verhaltens- und Verhältnisprävention für die Offshore-Beschäftigten entwickelt und implementiert werden sollten [6,10].

Textfeld: Abbildung 3 | © Handbuch "Gesundheit Offshore"

Aufbauend auf den Projektergebnissen wurde das Handbuch „Gesundheit Offshore: Handbuch zur Gesundheitsförderung in der Offshore-Windindustrie“ entwickelt [11]. In dem Handbuch sind konkrete Handlungsempfehlungen zur Gesundheitsförderung für die Bereiche Verhaltens- und Verhältnisprävention dargestellt, die von Maßnahmen zur Förderung des individuellen Gesundheitsverhaltens bis hin zu organisatorischen und baulichen Maßnahmen reichen. Die Empfehlungen richten sich vor allem an Verantwortliche für Gesundheitsthemen in Offshore-Unternehmen, z. B. HSE-Managerinnen und -Manager, medizinisches Personal, Betriebsärztinnen und -ärzte, Beschäftigte in der Personalabteilung und im Betriebsrat. Zusätzlich liefert das Handbuch aber auch für alle anderen Offshore-Tätigen wertvolle Hinweise für ein gesundes Arbeitsleben in der Offshore-Windindustrie.

Das Ziel, die Offshore-Arbeit und Offshore-Arbeitsplätze sicher und gesundheitsförderlich zu gestalten, können Unternehmen und Beschäftigte nur gemeinsam erreichen.

Literatur

  • Velasco Garrido, M., Mette, J., Mache, S., Harth, V. & Preisser, A. M. (2017). Belastungen und Gefährdungen der Beschäftigten in der Offshore-Windindustrie. Arbeitsmedizin Sozialmedizin Umweltmedizin, 52, 134-137.
  • Mette, J., Velasco Garrido, M., Preisser, A. M., Harth, V. & Mache, S. (2016). Psychische Belastung von Beschäftigten in der deutschen Offshore-Windindustrie. Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie66(5), 307-311.
  • https://www.offshore-stiftung.de/bestoff-sicherheit-und-gesundheit-der-offshore-windindustrie-durch-kompetenzentwicklung-koordination
  • Mette, J., Velasco Garrido, M., Harth, V., Preisser, A. M. & Mache, S. (2018). Healthy offshore workforce? A qualitative study on offshore employees’ occupational strain, health, and coping. BMC Public Health, 18, 172.
  • Mette, J., Velasco Garrido, M., Preisser, A. M., Harth, V. & Mache, S. (2018). Linking quantitative demands to offshore wind workers’ stress: do personal and job resources matter? A structural equation modelling approach. BMC Public Health, 18, 934.
  • Velasco Garrido, M., Mette, J., Mache, S., Harth, V. & Preisser, A. M. (2018). Sleep quality of offshore wind farm workers in the German exclusive economic zone – a cross-sectional study. BMJ Open, 8, e024006.
  • Mette, J., Velasco Garrido, M., Harth, V., Preisser, A. M. & Mache, S. (2017). ‚It’s still a great adventure‘ – exploring offshore employees’ working conditions in a qualitative study. Journal of Occupational Medicine and Toxicology, 12, 35.
  • Velasco Garrido, M., Mette, J., Mache, S., Harth, V. & Preisser, A. M. (2018). A cross-sectional survey of physical strains among offshore wind farm workers in the German exclusive economic zone. BMJ Open, 8, e020157.
  • Mearns, K. & Fenn, C. (1994). Diet, health and the offshore worker – a pilot study (Offshore Technology Report No. 399). Aberdeen: Health and Safety Executive, Robert Gordon University.
  • Mette, J., Velasco Garrido, M., Preisser A. M., Harth, V. & Mache, S. (2018). Workplace health promotion for employees working in offshore wind parks in the German exclusive economic zone: a mixed-methods-study. BMJ Open, 8, e020493.
  • Mette, J., Velasco Garrido, M., Mache, S., Harth, V. & Preisser, A. M. (2019). Gesundheit Offshore: Handbuch zur Gesundheitsförderung in der Offshore-Windindustrie. ISBN: 978-3-00-062913-6.